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19Jan/16

Per definitionem sollen Nationalhymnen ein Volk dadurch einen, indem sie ihm etwas geben, mit dem alle ganz bestimmte Ideale verbinden können. Aber wie wir nach den Terroranschlägen von Paris bei Sportveranstaltungen auf der ganzen Welt gesehen haben, hat sich die französische Nationalhymne, La Marseillaise, von einer einfachen Hymne zu etwas verwandelt, mit dem die ganze Welt ihre Solidarität mit Frankreich demonstrieren wollte. Zwar kennen viele Menschen die bekannte Melodie der Hymne und vielleicht kennen sogar einige Nicht-Franzosen ihren Text, doch die Vorgeschichte der Marseillaise ist vielleicht nicht allen bekannt.

Die französische Nationalhymne hatte ursprünglich den Titel „Chant de guerre pour l'Armée du Rhin” („Kriegslied für die Rheinarmee“) und wurde 1792 von Claude Joseph Rouget de Lisle komponiert. Anders als viele moderne Nationalhymnen wurde die Marseillaise nicht nur als Hymne der Freiheit und der Revolution geschaffen (der Beginn der Französischen Revolution lag erst 3 Jahre zurück), sondern war bei den Franzosen am Beginn des Ersten Koalitionskrieges auch als Ruf zu den Waffen beliebt. Das „Kriegslied“ wurde bei Kriegsbeginn von den Freiwilligen der Nationalgarde bei ihrem Marsch von Marseille nach Paris als Marschlied gesungen und ist seitdem unter dem Namen La Marseillaise bekannt.

Zwar stand die Verwendung als Revolutionshymne nie in Frage, sehr wohl aber die Übernahme als französische Nationalhymne. Die unmittelbare und weit verbreitete Popularität führte dazu, dass der Französische Nationalkonvent das Lied 1795 als Hymne der Ersten Republik (und erste Hymne Frankreichs) übernahm; aber diese Position behielt es nicht lange. Unter Napoleon war die Marseillaise nach einem guten Jahrzehnt nicht mehr länger französische Nationalhymne (wahrscheinlich wegen ihres revolutionären Tons), wurde unter der wieder hergestellten Monarchie verboten und während der Regentschaft von Napoleon III ersetzt. Nach dem Tod Napoleons III 1870 wurde die Hymne sehr schnell von der revolutionären Pariser Kommune übernommen, und obwohl die Kommune nicht lange existierte, war die Rückführung der Marseillaise in das nationale Bewusstsein der Massen dafür verantwortlich, dass sie 1879 dauerhaft wieder als die französische Nationalhymne eingesetzt wurde.

Berücksichtigt man einmal, wie lange es dauert, bis die meisten hier besprochenen Wörter den Weg über den Kanal aus dem Französischen ins Englische gefunden haben, dann erkennen wir, dass es bei der Marseillaise gerade einmal 2 Jahre gedauert hat, bis sie im September 1794 erstmalig in der Times erwähnt wurde: „Das Ganze endet dann mit einem Solo auf dem Salzfass; und der beliebten Marseillaise-Hymne, mit Markknochen und Hackbeil.” Nur etwas mehr als 3 Jahrzehnte später zeigt das Gedicht von Sir Thomas Moore, Copy of an Intercepted Dispatch, die Resonanz der Hymne bei den französischen Republikanern. Er stellt fest: „Wenn die Marseillaise ein solches Publikum beherrschen konnte, obwohl sie von einer Horde von Sansculotten gebrüllt wurde.” Die Mehrheit der Franzosen und auch diejenigen, die sich mit Frankreich solidarisch zeigen möchten, denken beim Singen der Hymne wahrscheinlich nicht mehr an Revolution. Doch die immer noch gültigen Ideale, die in ihr zum Ausdruck kommen, insbesondere die Freiheit von Angst und Tyrannei, sprechen uns nicht nur in direkter Weise an, sondern zeigen auch, dass diese Hymne, unabhängig von Zeit und Verbot, immer noch Respekt und Achtung verdient hat.

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